Gemeinsam Gemeinde gestalten

Sie arbeiten für dieselben Menschen, mit den gleichen Zielen. Warum arbeiten die Erzieherinnen im Kindergarten und die Pastoralteams der Pfarren dann nicht mehr zusammen?

Fast jede Kirchengemeinde besitzt einen Kindergarten. Im Bewusstsein der meisten Gemeindemitglieder und der zuständigen Gremien gehört er zum „Eisernen Bestand“ der Gemeinde. Ob es um Feste wie Weihnachten, Fronleichnam oder Erntedank geht, um das Pfarrfest oder einen Altennachmittag – der Kindergarten ist stets dabei. Die Leiterin hat einen Sitz im Pfarrgemeinderat, der Kirchenvorstand (oder der Verwaltungsrat) befasst sich mit organisatorischen und baulichen Fragen, der Pfarrer oder ein Vertreter des Pastoralteams ist zur Stelle, wenn es um religionspädagogische und pastorale Themen geht. So sieht der Idealfall aus.

Man weiß zu wenig voneinander

Leider geht es nicht überall so perfekt zu. Wer jedoch eine verlässliche und effiziente Kooperationsbeziehung zwischen den Kindergärten und ihren Kirchengemeinden aufbauen will, der tut gut daran, sich zunächst auf den gemeinsamen Auftrag für den Kindergarten wie auch für die Kirchengemeinde insgesamt zu besinnen: den diakonisch-pastoralen Dienst am Kind.

Gemeinden sind Lebens- und Wirkräume von Christen, die sich durch den gemeinsamen Glauben an einen menschenfreundlichen Gott verbunden wissen. Er ist in Jesus selbst Mensch geworden; die einmalige Solidarität mit den Menschen, die sich darin äußert, soll auch eine Leitnorm für die Solidarität der Christen untereinander und mit den Menschen sein, die sie brauchen. Jesu Reden und Handeln galt dem Wohl der Menschen. Als Kirche in der Nachfolge Jesu handeln heißt: zum Wohl der Menschen handeln.Wer die Menschen sind, für die die Kirche als erstes ihre Dienste anzubieten hat, wurde im Laufe der Kirchengeschichte unterschiedlich beantwortet. Die Kinder gehörten jedoch stets dazu.

Auf Mitstreiter angewiesen

Auch heute setzen die meisten Kirchengemeinden die Kinder ganz oben auf die Liste der Adressaten ihres diakonischen Handelns. In ihren Kindergärten steht ihnen ein „Instrument“ zur Verfügung, um ihre Diakonie an den Kindern zu realisieren: In Ergänzung und Unterstützung der Erziehung in der Familie bieten die Kindergärten eine kompetente und engagierte Begleitung, Förderung und Unterstützung der Kinder bei ihrer Entwicklung zu einer eigenständigen, für sich und die Mitmenschen verantwortlichen Persönlichkeit. Sie bieten ihnen Unterstützung beim Hineinwachsen in unsere Kultur, zu der auch unsere Religion gehört, und in unser Bildungssystem. Sie eröffnen ihnen schließlich Zugänge zum christlichen Glauben und machen sie mit seinen Inhalten und Handlungsweisen vertraut. Sie bauen Brücken zur Kirchengemeinde, weil sie überzeugt sind, dass die Kinder hier einen sinn- und gemeinschaftsstiftenden Lebensraum finden. In alldem sind die Kinde­gärten an der Realisierung des diakonischen Auftrags der Kirchengemeinden beteiligt.

Den Erzieherinnen und den Pastoralteams der Gemeinden geht es oft genau um den selben Menschen. Nichts liegt also näher, als sich auszutauschen und zusammenzuarbeiten! Das setzt voraus, dass das Interesse der pädagogischen Fachkräfte in den Kindergärten und der pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gemeinde aneinander wächst; sie müssen Formen des Kennenlernens und des gegenseitigen Vertrautmachens mit den Zielen, Inhalten und Methoden der religionspädagogischen und pastoralen Arbeit mit den Kindern und ihren Familien entwickeln und kultivieren.

In ihrem Selbstverständnis und ihrer generellen Zielsetzung gibt es zwischen den Kindergärten und der Gemeindepastoral eine relativ große Schnittmenge:

Beide

  • verstehen sich als Lebens- und Aktionsfelder der Gemeinde,
  • haben einen Auftrag durch die Gemeinde,
  • möchten die Kinder mit dem christlichen Glauben vertraut machen und sie in das Leben der Gemeinde hineinwachsen lassen,
  • berücksichtigen bei ihrer Arbeit die Lebenssituation, den Entwicklungsstand, die Fragen und Anliegen der Kinder,
  • bemühen sich, die Eltern und Familien einzubeziehen,
  • arbeiten mit Methoden, die komplementär zueinander passen,
  • stellen ihre Arbeit in die Kontexte des Gemeindelebens (Familiengottesdienste, Familienkreise, Feste und Feiern, soziale und Umweltaktionen),
  • sind auf Partner angewiesen und deshalb auf der Suche nach guten Mitstreitern.

Natürlich sind die Gewichtungen unterschiedlich; sie müssen bei möglichen Kooperationen auch nicht auf einen gleichen Level gebracht werden. Das Ziel kooperativer Arbeitsweisen besteht vielmehr darin, die jeweiligen besonderen Sichtweisen, Erfahrungen, Kompetenzen und Methoden komplementär in gemeinsame Zielformulierungen und Arbeitsformen einzubringen.

Die Kooperation zwischen Kindergärten und Gemeindepastoral könnte beispielsweise unter dem Leitwort „Gemeinsam Gemeinde gestalten“ stehen. Damit wäre die Zielrichtung formuliert: Es geht darum, dass beide ihren genuinen Beitrag dazu leisten, dass die Gemeinde lebendig gestaltet und entwickelt wird, und zwar mit folgenden Akteuren: mit Vertretern beider Arbeitsfelder, mit den Kindern und Eltern, mit denen beide Bereiche zu tun haben, und, wenn erforderlich, mit Mitgliedern der Gemeindeleitung (Pfarrer, Gemeinderat). Ziel ist es, mit den Kindern und ihren Eltern ein bestimmtes Thema zu behandeln oder gemeinsam eine Veranstaltung (etwa einen Familienbibeltag) oder eine Aktion (zum Beispiel einen „Tag für die Schöpfung“) unter religionspädagogisch-katechetischen Gesichtspunkten durchzuführen und damit eine bestimmte Form des Gemeindelebens zu realisieren.

Ein solches Kooperationsprojekt zwischen einem Kindergarten und der Gemeindepastoral erfordert folgende Schritte:

1. Gemeinsame Verständigung über die Leitziele, die das Kooperationsprojekt verfolgen soll

Dabei müssen die Beteiligten in beiden Arbeitsfeldern zunächst festlegen, wer den jeweiligen Bereich vertreten und für die andere Seite künftig als Ansprechpartner gelten soll, wie die Verständigung über die Leitziele erfolgen soll, wann und wo.

2. Klärung der Führungsverantwortung für die Planungen und der gemeinsamen Arbeitsschritte

Konkret bedeutet das: Welche Vertreter aus beiden Arbeitsfeldern sollen auf welche Weise die Leitung übernehmen? Wie sollen sie einzelne Aufgaben an ihre Mitarbeiter (Kindergartenteam, Pastoralteam) delegieren, wie einen Zeitplan erstellen und für seine Einhaltung sorgen? Durch wen und wie wird das Kooperationsprojekt nach außen vertreten (gegenüber den Eltern, der Gemeindeleitung, anderen Gruppen der Gemeinde)?

3. Durchführung einer Ist-Analyse

Dabei geht es um Fragen wie: Mit welchen Kindern und Eltern haben wir es zu tun? Was charakterisiert ihre Lebenssituation? Welche Erwartungen und Wünsche haben sie an den Kindergarten, an die Gemeindepastoral, an beide zusammen? Welche personellen, finanziellen Ressourcen und Sachmittel (Räume etc.) stehen zur Verfügung?

4. Einbindung der Überlegungen und Planungen ins Team

Dabei überprüfen die Teams in den Arbeitsfeldern, inwieweit sie die Ideen und Pläne der Führungsgruppe mittragen können, wer welche Aufgabe übernimmt, wie einzelne Inhalte in die Arbeitsabläufe im Kindergarten oder in der Gemeindepastoral eingebunden werden können. (Zum Beispiel können bei der Gestaltung eines Familienbibeltages biblische Themen bereits in der Phase der Vorbereitung in einzelnen Kindergartengruppen behandelt werden.)

5. Umsetzung der Leitziele

Nachdem ein Zeitplan erstellt, die einzelnen Arbeitsschritte festgelegt und die Zuständigkeit in den Teams aufgeteilt sind, werden unter der Leitung der Führungsgruppe die notwendigen Prozesse zur Realisierung der Leitziele in Gang gesetzt.

6. Bilanz

Nach dem Projekt sollten die Teams und schließlich die Führungsgruppe eine kritische Bilanz ziehen: Haben wir unsere Ziele erreicht? Was hat es den Kindern, den Eltern, uns gebracht? Standen Aufwand und Ertrag in einem ausgeglichenen Verhältnis? Was hätte besser durchdacht und geplant werden müssen? Welche Erkenntnisse haben wir für mögliche weitere Kooperationsprojekte gewonnen?

Je mehr katholische Kindergärten und ihre Kirchengemeinden ihren diakonisch-pastoralen Dienst für Kinder und Familien aufeinander abstimmen und je professioneller und effizienter sie zusammenarbeiten, umso mehr erhöhen sie ihre Chancen, Kinder und Familien zu erreichen und für sie als sinn- und gemeinschaftsstiftende Lebensräume erfahrbar zu werden. Ihre Zukunftsfähigkeit wird ganz wesentlich davon abhängen.

Matthias Hugoth